Despite All Doubts
PREQUEL
SIENNA
4 Stunden vor dem Mord
Ich bin in Cooper Attwood verliebt. Er muss nur noch erkennen, dass er es auch in mich ist.
Ich werfe meine langen schwarzen Haare über meine Schulter und trete auf den Balkon. Die frische Luft weht mir um die Nase. Es ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint und wärmt sofort meine Haut.
Dieser Sommer wird anders werden. Es wird der Sommer sein, in dem Cooper endlich erkennt, dass wir zusammengehören.
Ein Lächeln legt sich auf sein Gesicht. Ich spüre seine Lippen auf meinen, höre seine Stimme, wie er mir süße Komplimente ins Ohr flüstert, seine Finger, die sich mit meinen verweben. Wie er mich ansieht, so wie er mich nie zuvor angesehen hat, wenn er endlich erkennt, dass wir alles füreinander sein können.
Mein Handy vibriert in der Po-Tasche meiner Jeans und ich ziehe es heraus. Verärgert sehe ich auf das Display. Wer wagt es, mich bei meinen Träumen an Cooper zu stören? Es gibt nur einen, dem das erlaubt ist – Cooper.
Aber die Enttäuschung tritt sofort ein, als ich den Namen von Nate sehe. Natürlich ist es nicht Cooper. Er ruft mich nie an. Aber das wird sich ändern.
»Was willst du?«, frage ich genervt.
»Wir gehen heute alle zu Ed’s. Kommst du mit?«
»Wer?«
»Jacob, Iris, Rosie, die übliche Gruppe halt.«
Ich schnaube auf. »Und was genau bringt dich auf die Idee, dass ich Lust hätte, mitzukommen?«
»Ich dachte bloß ... na ja, dass dir etwas Ablenkung guttun könnte.«
»Warum sollte mir Ablenkung guttun?«
Er seufzt. »Sienna ... ich weiß, was du tust und es wird nicht funktionieren.«
»Du hast keine Ahnung, was ich tue, Nate!«
»Du willst zu Attwood.«
»Das geht dich einen Scheiß an.«
»Also habe ich recht.«
»Und was ist wenn?«
»Egal, wie häufig du mit ihm schläfst, es wird sich nichts ändern, Sienna. Er wird nicht plötzlich aufwachen und sich in einen anderen Menschen verwandelt haben.«
»Das wird wohl auch kaum nötig sein«, erwidere ich. Aber ich höre selbst, wie meine Stimme wackelt. »Ich will nicht, dass er ein anderer Mensch wird.«
Nate lacht bitter auf. »Nicht? Weil ich war der Meinung, dass du denkst, dass du die Eine für ihn bist, für die er endlich aufhört, sich durch halb British Columbia zu vögeln und mit dir sesshaft wird. Hochzeit, Kinder, weißer Gartenzaun. Ist es nicht das, was du von ihm willst?«
Ich rolle mit den Augen. »Du übertreibst, Nate. Ich bin einundzwanzig.«
Auch wenn ich es abstreite, bleibt der bittere Beigeschmack. Nate mag übertreiben, aber er liegt auch nicht ganz daneben. Ich sehne mich danach, dass Cooper nur mich will.
Für einen Augenblick herrscht Schweigen und als Nate wieder spricht, klingt seine Stimme belegt. »Ich könnte dir alles geben, was er nicht kann.«
Ich habe Angst, dass Nate recht behält. Mit festem Griff umklammere ich das Handy, bis meine Knöchel weiß hervortreten. Ich halte es in einem erbarmungslosen Griff, der das Material in meine Haut presst.
»Du vergisst eine Sache, Nate. Du bist nicht er und wirst es nie sein.«
Ich lege auf und stürme wutentbrannt ins Haus zurück. Das Handy werfe ich auf mein Bett und als ich in den Spiegel sehe, erkenne ich meinen glasigen Blick. Wütend wische ich mir die Tränen unter den Augen weg, die ihren Weg nach draußen gefunden haben.
Ich hasse, wie sehr Nate es geschafft hat, zielsicher meine Schwachstellen zu treffen. Meine Ängste, meine Zweifel. Es ist etwas, was ich nicht zeige. Ich bin Meisterin darin, meine Gefühle unter Verschluss zu halten. Ich bin Sienna Parker! Wer nicht zu mir aufsieht, fürchtet mich.
Aber eines fehlt noch für mein perfektes Bild – und das ist er. Cooper ist mein männliches Gegenstück. Der, der alle Blicke auf sich zieht, der mit dem alle befreundet sein oder zumindest ein winziges Bisschen seiner Aufmerksamkeit bekommen wollen.
Er ist der, den alle wollen, aber ich werde diejenige sein, die ihn bekommt!
***
1 Stunden vor dem Mord
Ich trete von einem Fuß auf den anderen, während ich darauf warte, dass Cooper die Tür öffnet. Eine sanfte Brise weht mir meine langen dunklen Haare ins Gesicht. Das Haus, das sich allein mit einem anderen in dieser Straße am Waldrand befindet, gehörte seine Eltern. Sie sind ständig auf Reisen und haben es Cooper überlassen.
Er öffnet die Tür und als sein Blick auf mich fällt, rollt er mit den Augen. »Was willst du?«
»Es ist auch schön, dich zu sehen, Cooper«, sage ich spitz.
Er funkelt mich verärgert aus seinen grünen Augen an. Seine dunkelbraunen Haare sehen etwas verstrubbelt aus und sofort durchzuckt mich der Gedanke, ob eine andere dafür verantwortlich sein könnte. Ich hasse es, dass er noch immer mit anderen schläft, wenn er es doch nur mit mir tun sollte.
»Können wir reden?«
»Wenn es wieder –«
»Bitte, Cooper!«
Er seufzt genervt, zieht dann aber die Tür komplett auf und gibt mir ein Zeichen, dass ich reinkommen soll. Ich folge ihm, bis wir in seinem Wohnzimmer sind, doch er macht keine Anstalten, sich auf die große Eckcouch zu setzen. Stattdessen bleibt er mitten im Raum stehen und sieht mich mit verschränkten Armen an.
Tief atme ich durch. Irgendwie hatte ich mir das einfacher vorgestellt. Ich hatte mir meine Worte genau zurechtgelegt. Aber jetzt … jetzt stehe ich vor ihm und nichts davon fällt mir mehr ein. Ich räuspere mich und versuche, den Kloß in meinem Hals zu verscheuchen. »Hast du heute Pläne?«
Er zieht seine linke Braue hoch. »Das hättest du mich auch mit einer einfachen Nachricht fragen können.«
Ich zucke mit den Schultern und lächle ihn vorsichtig an. »Ich wollte dich sehen.«
Kurz flackert sein harter Ausdruck, aber dann ist es schon wieder weg.
Überfordert mit der Situation tue ich das, was ich immer tue. Ich trete auf ihn zu und fahre mit meinen Fingern über seine Brust. Doch anders als sonst lässt er es nicht geschehen, sondern tritt einen Schritt von mir weg.
»Was soll das werden, Sienna?«
Ich lege meinen Kopf leicht schief und sehe ihn mit einem koketten Lächeln an. »Nun, was wohl, Cooper?«
Er schnaubt auf. »Du bist hergekommen, um zu vögeln? Das wird nicht passieren.«
Seine kalte Art versetzt mir einen Stich, aber ich halte es mit aller Kraft von mir weg. Ich darf es nicht an mich heranlassen. Ich bin aus einem Grund hergekommen. Er muss nur merken, dass er es auch will. Wenn wir nur weiter Freunde mit gewissen Vorzügen sind, dann sei es so. Ich kann warten. Ich warte seit Jahren auf ihn. Ein trockenes Lachen stiehlt sich mir aus der Kehle. »Ach ja? Ich kann mich erinnern, dass du das erst letzte Woche noch ganz anders gesehen hast.«
»Das war ein Fehler.«
Uh, autsch! Mein Lächeln verrutscht. Er meint das nicht so. Nein, ganz sicher tut er das nicht! Ich straffe die Schultern und recke mein Kinn. »Vielleicht sollten wir aufhören, uns etwas vorzumachen, Cooper.«
»Du meinst, du willst aufhören, in der ganzen Stadt herumzuerzählen, dass wir zusammen sind? Großartige Idee!«
»Seit wann interessiert dich Dorfklatsch?«
»Seit ich ein großer Teil davon bin und das dir zu verdanken habe.«
»Was macht es schon für einen Unterschied?«
Coopers Mund klappt auf und er sieht mich für einige Sekunden fassungslos an. »Was es für einen Unterschied macht?«
Ich zucke mit den Schultern. »Wenn es sowieso schon alle denken, könnten wir es auch einfach mal versuchen.«
Ein ungläubiges Lachen tritt über seine Lippen.
Wieso sträubt er sich so? Warum gibt er mir nicht einmal die Chance, ihm zu zeigen, dass ich die Richtige für ihn bin? Es ist alles, was ich brauche – eine einzige Chance!
Ich mache einen Schritt auf ihn zu und will nach ihm greifen, doch er weicht mir aus.
Tränen treten mir in die Augen. »Cooper, bitte! Ich li–«
»Sag es nicht, Sienna. Ich will es nicht hören.« Abwehrend hebt er die Hände.
»A-Aber –«
»Wann wirst du es endlich verstehen? Wir beide, wir werden nie irgendetwas sein!«
***
45 Minuten vor dem Mord
Wütend kicke ich den Stein, der vor mir auf der Straße liegt, auf die Wiese. Mit aller Kraft zwinge ich mich, nicht mehr zu Coopers Haus zurückzusehen. Ich steige in mein Auto und trete das Gas voll durch. Die Reifen quietschen, als es sich in Bewegung setzt.
Wie kann Cooper das, was zwischen uns ist einfach so wegschmeißen? Nach all den Jahren, die wir zusammen hatten. All die Jahre, die ich auf ihn gewartet habe. Das alles war für nichts. Nichts!
Tränen der Wut und Demütigung über seine Worte sprudeln mir aus den Augen und vernebeln mir die Sicht. Die Straße vor mir verschwimmt und ich kann gerade so im letzten Moment das Lenkrad herumreißen, um in die Kurve einzulenken.
Das war ein Fehler. Ein Fehler! Nichts als ein Fehler bin ich für ihn gewesen, während er alles für mich war.
Das erste Mal, dass ich Cooper Attwood geküsst habe, war mit sechszehn Jahren. Ich war bereits länger in ihn verliebt und dann war da dieser Moment. Wir waren alle bei ihm, die ganze Gruppe. Seine Eltern waren mal wieder auf irgendeiner Reise und er war allein zuhause. Er ist in sein Zimmer gerannt, um etwas zu holen, und ich bin ihm gefolgt, während die anderen im Wohnzimmer geblieben sind. Bisher hatte ich mich nie getraut, aber dann waren wir zu zweit, nur wir beide.
Ich habe ihn geküsst und er hat es erwidert. Ich weiß noch, dass ich mein Glück nicht glauben konnte. Es war, als würde ich schweben. Den ganzen Abend über habe ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen, sodass die anderen sich schon gefragt haben, was mit mir los ist. Später auf dem Heimweg habe ich meinen besten Freundinnen Maisie und Elaine von dem Kuss erzählt. Sie sind noch mit zu mir gekommen und wir haben die halbe Nacht geredet und Pläne geschmiedet, wie ich Cooper herumbekommen kann.
Am nächsten Tag kam Cooper zu mir, um mit mir zu reden. Er meinte, er wisse nicht, was da gestern passiert ist und dass es ihm leidtut. Ich habe nicht verstanden, was er meint, bis er mir gesagt hat, dass er nichts Festes will. In diesem Moment ist eine Traumwelt in mir zusammengebrochen.
Aber ich würde mich niemals von so etwas aufhalten lassen. Wenn es diesen Traum nicht gibt, dann erschaffe ich mir einen neuen – und genau das habe ich getan. Ich habe ihm gesagt, dass es mir genauso geht, dass ich nur etwas Spaß haben will. Erst hat er mir nicht geglaubt, also habe ich ihm gezeigt, wie ich von einem zum anderen wandern kann, ohne dass es mich stört. Zwei Monate später hatten wir zum ersten Mal Sex. Schon damals war er sensationell. Jedes Mal mit ihm wurde besser, wir wurden besser miteinander.
Nur er – er ist nie von seinem Standpunkt abgerückt, dass er nichts Festes will. Wir sind auf unterschiedliche Colleges gegangen, haben uns kaum noch gesehen, doch ich habe immer darauf hingefiebert, ihn wiederzusehen. Im Gegenzug zu mir ist er auf Abstand gegangen und während er mit mir nicht mehr geschlafen hat, habe ich dabei zusehen müssen, wie er es mit anderen tut.
Dann kam die Party letzte Woche. Wir haben getanzt und endlich – endlich! – waren wir wieder die von früher.
Dieses Mal sollte es anders sein. Dieses Mal musste er erkennen, dass wenn nach all den Jahren noch immer so die Funken zwischen uns sprühen, ich die Richtige für ihn bin. Aber er hat mich abgewiesen. Als ein Fehler, als etwas, das nie sein wird.
Mit einer harten Bremsung halte ich das Auto am Straßenrand an. Laut schluchze ich auf. Die Tränen rinnen noch immer und am liebsten will ich schreien. Vor Wut, vor Demütigung – doch hauptsächlich weil es so schrecklich schmerzt.
Ein Klopfen ertönt und mein Kopf schnellt nach links.
Als ich die Person dort sehe, rolle ich mit den Augen und wische mir hastig die Tränen weg. Ich lasse das Fenster nach unten.
»Was willst du?«
»Du weinst.«
»Ja und das geht dich einen Scheißdreck an. Also verpiss dich!«
»Ist es wegen Cooper?«
Erschrocken weiten sich meine Augen, doch ich habe es perfektioniert, meine Rolle zu spielen. Daher fange ich mich schnell wieder. »Wie kommst du auf so eine abstruse Idee?«
»Er ist der Einzige, der dich so aus der Fassung bringen kann.«
»Tu nicht so, als würdest du mich kennen!«
»Vielleicht tue ich das nicht, aber vielleicht weiß ich etwas, was dir hilft, endlich dein Ziel mit ihm zu erreichen.«
»Was solltest du schon wissen?«
»Du magst mich nicht ernst nehmen, aber Menschen reden, Sienna. Und manchmal reden sie, wenn sie denken, ihnen hört niemand zu. Ich kann dir nur sagen, Cooper gibt etwas anderes vor, weil er noch nicht bereit ist.«
Ich lege meinen Kopf schief und meine Augen verziehen sich zu misstrauischen Schlitzen. »Was weißt du?«
»Ich muss jetzt leider los.«
Ich schnaube auf. »Du weißt gar nichts.«
»Vielleicht … vielleicht tue ich es aber doch.«
Ungläubig sehe ich der Gestalt hinterher, wie sie immer kleiner wird und schließlich um die nächste Kurve verschwindet.
Was zur Hölle sollte das?
Cooper gibt etwas anderes vor, weil er noch nicht bereit ist. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass Cooper eindeutige Bindungsprobleme hat. Aber wenn es wahr ist, bedeutet es, dass er etwas daran ändern will? Für mich ändern will.
Ich krame mein Handy aus meiner Handtasche, die auf dem Beifahrersitz liegt. Ohne weiter darüber nachzudenken, suche ich das Foto von uns beiden heraus, das letzte Woche auf der Party entstanden ist und poste es mit einem Herz versehen auf meinem Instagram-Account. Er muss doch einfach sehen, wie gut wir zusammenpassen. Danach schicke ich ihm noch eine Nachricht.
Ich
Das ist gerade nicht gut gelaufen. Lass uns noch einmal reden. Du weißt, du kannst mir alles sagen.
Cooper
Dein Ernst, Sienna?! Lösch das Foto!
Ich rolle mit den Augen. Er muss immer direkt so dramatisch werden. Doch dann trifft noch eine Nachricht von ihm ein, die mich schlucken lässt.
Cooper
Wenn das nicht aufhört, wirst du es bereuen!
***
10 Minuten vor dem Mord
Keuchend komme ich zum Stehen. Ein frustrierter Schrei löst sich aus meiner Kehle und ich schlage den Ast weg, der in den Weg hinein hängt. Ich habe es nicht mehr ausgehalten in der Enge des Autos. Also habe ich es kurzerhand stehen lassen und bin in den Wald gerannt. Hier stört mich wenigstens niemand, niemand löchert mich mit nervigen Fragen, niemand erwartet etwas von mir.
Wenn die Bäume alle verschwinden würden, könnte ich Coopers Haus sehen. Ich frage mich, ob er wohl noch dort ist, was er denkt. Bereut er unseren Streit? Bereut er, was er mir geschrieben hat?
Die hohen Bäume mit ihren dichten Blättern schlucken das Sonnenlicht und lassen nur noch wenige Strahlen durch sie hindurch. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Sonne untergeht und den Himmel in leuchtende Farben haucht.
Ich kann das Gespräch mit Cooper nicht vergessen. Sein Gesichtsausdruck, wie er mich angesehen hat, als wäre ich nicht mehr als der lästige Kaugummi unter seiner Schuhsohle. Wie kann er ... wie kann er nur so unglaublich kalt sein? Wie kann er nichts empfunden haben bei dem, was zwischen uns war?
Irgendetwas sagt mir, dass ich ihn aufgeben sollte. Dass das alles nicht gut endet. Aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht!
Einige Strähnen werden mir vom Wind ins Gesicht geblasen und ich wische sie mir weg. Vor mir tut sich ein steiler Abhang auf und hinter mir ist eine Lichtung, auf der sich eine kleine Waldhütte befindet. Ein Vogel zwitschert in der Ferne. Die Schatten von den Bäumen werden immer länger und geben dem Wald etwas Mystisches.
Es knackt hinter mir und als ich mich umdrehe, kneife ich irritiert die Augen zusammen.
»Was willst du hier?«
Ich mache einen Schritt nach vorne, doch ich bin nicht die Einzige. Unsere Körper knallen gegeneinander und behandschuhte Hände legen sich um meine Kehle.
Ich bin wie erstarrt, als sich der Griff fester um meinen Hals legt. Er wird fester und fester und fester. Mir bleibt die Luft weg und ich reiße die Augen auf. Kalte Panik macht sich in mir breit. Ich kann nicht atmen. Ich will etwas sagen, aber es kommt nicht mehr als ein Krächzen über meine Lippen.
Vor mir sehe ich ein wutverzerrtes Gesicht. Die Zähne gefletscht, die Augen zu hasserfüllten Schlitzen verzogen.
Ich rudere mit den Armen und schlage so fest ich kann in die Fratze mir gegenüber. Der Griff lockert sich, Luft strömt in meine Lungen zurück und mit einem wütenden Schrei springe ich nach vorne, aber ich werde zurückgeschleudert.
Meine Füße verlieren den Halt, ich kippe nach hinten und dann ist da plötzlich nichts mehr. Mit der Seite knalle ich auf eine Wurzel. Schmerz durchzuckt meinen ganzen Körper und ich schreie. Ich schreie, als der Boden unter mir wegbricht und dann rolle ich. Ich rolle und rolle und rolle. Über Geröll, über Wurzeln, über Steine. Verzweifelt versuche ich etwas zu fassen zu bekommen. Aber wenn meine Finger an etwas einen Halt finden, wird es genauso mit mir in die Tiefe gerissen.
Mein Körper sollte vor Schmerzen schreien, aber ich spüre nur noch die eiskalte Panik, die mich fest in ihrem Griff hat. Jede Sekunde zieht sich in die Länge und alles vor mir spielt sich wie in Zeitlupe ab. Ich werde nach oben geschleudert, fliege und kurz fühlt es sich beinah friedlich an.
Dann schlägt mein Kopf auf etwas Festem auf. Der harte Boden kehrt zurück, die Sicht vor meinen Augen verschwimmt. Es wird dunkel. Immer dunkler. Es war noch nie so dunkel. Eine stille Träne rinnt mir über die Wange.
Mit einem letzten Hauchen wispere ich: »Warum?«