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Der Halloweenzirkus – Esmeraldas Fluch

PREQUEL

Der Tag, an dem Tante Wyn mich vom Jugendamt in Petworth abgeholt und zu sich nach Darkmoore gekarrt hatte, war der zweitschlimmste meines bisherigen Lebens gewesen. Meine Eltern waren nur drei Tage zuvor bei einem Autounfall gestorben – und fortan sollte ich in Darkmoore leben. Damals war ich acht.

Ich weiß noch, dass es an diesem Tag fürchterlich geregnet hatte. Man hätte meinen können, der Himmel machte Frühjahrsputz, denn die Regentropfen flogen sogar waagerecht – so schlimm war es. Was es noch schlimmer gemacht hatte, war die Tatsache, dass Tante Wyn so etwas wie die Herrscherin über Darkmoore’s Friedhof war – den einzigen Club mit nie endender Mitgliedschaft. Vor ihrem Herrenhaus lag mehr Vergangenheit als in jedem historischen Klassiker.

Hastig hatte sie mich damals aus ihrem himmelblauen Chewy bugsiert, die Hände über mir wie einen Regenschirm gehalten und mich durch das Unwetter in ihr Haus geschoben. Dort hatte ich wie ein begossener Pudel im Flur herumgestanden und aus einem Reflex heraus einfach losgeheult. 

Eltern tot, neue Umgebung und dann auch noch all die Gräber vor der Tür – man hatte mich aus einem Alptraum in den nächsten verschifft und ich war zehn Jahre zu jung gewesen, um einfach wieder Reißaus zu nehmen. 

Und wahrscheinlich hätte ich an diesem Tag gar nicht mehr aufhören können, eine Heulboje zu spielen, wenn ich Mo nicht entdeckt hätte. Als ein gewaltiger Blitz über den Himmel zuckte, hatte das grelle Licht vor dem bodenlangen Fenster neben der Eingangstür nämlich den Blick auf einen kleinen Jungen freigegeben, der bei diesem Wetter draußen auf dem Friedhof spielte und mit einem Stock ein paar Steine verhaute. Irgendwie brachte er es fertig, in seiner knallroten Regenjacke und mit seinem rostroten Haar, dass erstaunlich auffällig war, trotzdem verloren zu wirken. Das war der Moment, in dem mein kindlicher Verstand begriff, dass es auf dieser Erde außer mir noch jemanden gab, der die Welt nicht richtig verstand.

Während Tante Wyn bereits in die mit Kräutern überwucherte Küche gerauscht war, um mir einen heißen Tee zu zaubern, tat ich das Einzige, das mir einigermaßen logisch erschien: Anstatt mich ihrer aufopferungsvollen Fürsorge hinzugeben, stiefelte ich wieder nach draußen, rannte auf den komischen Jungen zu und fragte: »Sind deine Eltern auch tot?«

Er sah mich mit einer Mischung aus echter Überraschung und brüderlicher Barmherzigkeit an. »Nein, Mum ist zu Hause und Dad auf Arbeit«, sagte er. Dann malträtierte er seinen Stein weiter und kickte mit dem Fuß die Geröllteilchen fort, hin zu einer bereits auserlesenen Matschkuhle.

»Und warum bist du dann nicht zu Hause?« Meine Stimme wurde von einem Donnergrollen begleitet und mit dem nächsten Blitz entzweigeschnitten.

»Weil ich noch spielen wollte.«

»Auf einem Friedhof?«, fragte ich skeptisch.

»Die anderen Kinder kommen nicht hier her …«

Da verstand ich, dass er die anderen Kinder aus Darkmoore wohl nicht leiden konnte und Tante Wyns Friedhof als alleiniges tragbares Spielparadies auserkoren hatte.


Ein paar Tage später fand ich heraus, dass sich um Darkmoore allerhand Gruselgeschichten, lückenhafte Legenden und das ein oder andere fadenscheinige Schauermärchen rankten. Tote, die angeblich an Halloween das Land der Lebenden aufsuchten, Werwölfe, die nachts durch die Straßen streiften, Vampire, die ihr nächstes Opfer suchten, Hexen, die die Stadt verflucht hatten, und allerlei weitere Schauermärchen, bei denen ich in Betracht gezogen hatte, einfach immer wieder von vorn loszuheulen, wenn Mo sie mir erzählte. Und weil das noch nicht reichte, wurden die Bewohner Darkmoore’s irgendwie alle vom Unglück verfolgt.

Wie viel Pech konnte eine stinknormale Kleinstadt im Süden Englands eigentlich simultan aushalten und trotzdem noch genügend Bewohner ihr Eigen nennen? 

Es galt als Todessünde, unbehelligt unter einer Leiter hindurchzugehen – deswegen wurde damit sparsam umgegangen. Nur ein ausgewähltes Klientel besaß überhaupt eine. Schwarzen Katzen war in Darkmoore nicht zu trauen, weil sie Pech brachten. Wehe dem, der zur falschen Zeit den Blick auf eine Uhr richtete. Man könnte ja feststellen, dass es gerade 13:13 Uhr war, und dann war man als echter Ureinwohner Darkmoore’s gezwungen, sofort den nächsten Baum aufzusuchen, um die magische Baumrinde dreimal zu beklopfen, damit einen das drohende Unglück nicht zu fassen bekam. (Dabei war es ganz egal, ob Kastanie, Pinie oder Ahorn – die Bäume waren zum Glück nicht magisch.)

Sich zu bekreuzigen galt als ein stummes Gebot, um Unheil von sich fernzuhalten, und Salzkreise um seine Häuser, Autos oder sich selbst zu ziehen, war das einzige Mittel, um einem bedrohlichen Pleiten-, Pech-, und Panikmarathon zu entgehen, der folgen könnte.

Ich hatte Fledermaus-Fabeln schon immer gehasst. Und Menschen, die an so einen Mist glaubten, traute ich nicht über den Weg.


Mo kam jeden Tag zum Friedhof, um dort zu spielen und Tante Wyn hatte mir an einem Abend vor dem zu Bett gehen ein wenig über ihn erzählt. Er hieß Moritz Langley, war ein Jahr älter als ich und meistens allein in Darkmoore unterwegs. Und während ich mit Mo allmählich Freundschaft schloss, erfuhr ich, dass er all den Gruselgeschichten keinen einzigen Funken Wahrheit beimaß. Da wurde das Leben auch für mich ein wenig erträglicher.

Tante Wyn war viel damit beschäftigt, den Friedhof zu pflegen, irgendwelche Tinkturen zu brauen, deren Nutzen ich nicht verstand, und in ihrer Freizeit Bücher zu lesen. 

Über Mum und Dad sprach sie nur, wenn ich etwas über sie wissen wollte. Aber sie hatte mir immerhin ein paar Habseligkeiten aus meinem Elternhaus gesichert und mein Zimmer mit Fotos und anderen Erinnerungen an mein früheres Leben bestückt. So konnte ich jeden Tag in Mums herzförmiges Gesicht mit den Lachfältchen um ihre hellgrünen Augen blicken und Dads verwuschelte dunkle Haarmähne begutachten, ehe ich einschlief. Auch mein Lieblingskuscheltier, ein rosa Schwein mit grünen Ohren und bunter Schnauze hatte einen festen Platz in meinem Bett bekommen. Ansonsten waren zwar nur noch ein paar Erinnerungsstücke wie Dads Uhr und Mums Lieblingshalstuch mit zu Tante Wyn umgezogen, aber so gab es immerhin ein paar wenige Dinge, an denen ich festhalten und meine Eltern in meinem Gedächtnis verwahren konnte.

Da ich damals zu jung war, hatte Tante Wyn mir nie von dem mysteriösen Autounfall erzählt, in den meine Eltern verwickelt gewesen waren, und als ich älter wurde, hatte ich sie auch nicht mehr danach gefragt. Ich hatte Tante Wyn. Ich hatte Mo. Das genügte.

Mo und ich waren schnell beste Freunde geworden. Da auch er den ganzen Schauermärchen keinen Glauben schenkte, waren wir beide so etwas wie die Außenseiter von Darkmoore. Denn auch, wenn man sich in den ganzen Geschichten über Flüche, böse Hexen und Unglücksboten erstaunlich gut verlieren konnte, war es Mo und mir nur möglich, uns darüber lustig zu machen. Wie konnte man nur an so einen Blödsinn glauben? Dass die Bewohner Darkmoore’s in Sachen physikalischer Erklärungen ausgesprochen resistent gegenüber unerwarteten und nicht erklärbaren Geschehnissen waren, war ja das eine. Aber dass selbst meine Tante der felsenfesten Überzeugung war, dass das Krächzen eines Uhus am Tage ein herannahendes Todesomen bedeutete, setzte dem ganzen oft die Krone auf. In Darkmoore zu leben war wirklich nicht leicht, aber mit Mo war irgendwie alles erträglicher.


Mit den Jahren hatte ich gelernt, ein paar Dinge im Alltag auszublenden, wie etwa meine Nachbarin Mrs Hollowitz, die täglich Schubkarren voll Mohnblumen von irgendwoher zum Friedhof karrte und es sich zur Aufgabe gemacht hatte, jedes einzelne Grab damit vollzuschütten. Tante Wyn hatte sich anfangs noch tierisch darüber ausgelassen, weil Mrs Hollowitz immer genau dann aufschlug, wenn sie soeben die Grabpflege auf dem Friedhof beendet hatte. Aber irgendwann hatte sie festgestellt, dass das Rot der vielen Mohnblumen einen schönen Kontrast zu der sonst so kargen braungrünen Masse mit den grauen Granitblöcken vor ihrem Haus bildete, und Mrs Hollowitz einfach ihr Ritual weiterausführen lassen. Vielleicht beruhigte ihr Tun sie ja irgendwie.

»Du bekreuzigst dich jeden Tag, bevor du aus dem Haus gehst, damit dich kein Unglück trifft, und Mrs Hollowitz versucht den bösen Geistern auf dieser Welt eben mit frischen Blumen entgegenzuwirken. So hat halt jeder hier seinen Dachschaden«, meinte ich einmal, als ich gerade vierzehn war und Tante Wyn mit verschränkten Armen und zusammengekniffenen Augen aus dem Küchenfenster blickte.

Tante Wyns Kopf fuhr zu mir herum. Sie konnte ihre Missbilligung für meinen Umgang mit dieser ganzen Fluchgeschichte auf drei Arten deutlich machen, und in diesem Moment nutzte sie ihre liebste Methode: Die dunklen Augen funkelten mich hinter ihrer Brille an. »Sei froh, dass ich dich die ganze Zeit vor deinem Dachschaden beschütze, Nora«, entgegnete sie, spitz wie eh und je, wenn ich mich wie so oft über die Bewohner und ihre Eigenheiten hier lustig machte.

Damit meinte sie ihre Salbeiseifen, die sie herstellte und an die Bewohner der Stadt verkaufte, oder die Tees, die sie aufkochte und verschacherte oder mir jeden Abend auf den Tisch stellte, weil hier der Glaube Einzug erhalten hatte, Salbei wäre der perfekte Schutz vor Unheil. Ich konnte nur lachend den Kopf schütteln. Wir lebten im 21. Jahrhundert, aber alle benahmen sich, als würden wir in einem Fantasyroman leben, der im Mittelalter spielte – mit Option auf das Übernatürliche.

 

Hätte man mich damals gefragt, wo ich lieber leben würde (hatte man), dann hätte ich Petworth sagen können (hatte ich nicht). Ich hatte einfach nur mit den Schultern gezuckt, denn sonst hätte ich erklären müssen, warum – und ich wollte nicht darüber reden, dass Mum und Dad dort in einer nebelverhangenen Nacht ihr Leben verloren hatten. Dass plötzlich die Polizei in meinem Zimmer stand. Dass ich nur noch mein Kuscheltier greifen konnte und auf eine mir unbekannte Frau zugeschoben wurde, die mich zum Jugendamt gebracht hatte. 

Ich hätte gern Petworth gesagt, aber es war nicht mehr mein Zuhause, schon lange nicht mehr. Und eine andere Stadt fiel mir einfach nicht ein. Es gab keine andere Stadt außer Darkmoore, weil ich Mo dort nicht gehabt hätte. Und weil ich auch Tante Wyn vermisst hätte. Und weil ich erst noch meinen Schulabschluss machen musste, bevor ich es mir überhaupt erlauben konnte, darüber nachzudenken, aus Darkmoore wegzugehen, um so etwas wie Normalität zu erleben.


Ich hatte mich mit dem Leben in Darkmoore irgendwie arrangiert. Ich hatte akzeptiert, dass meine Klassenkameraden und selbst die Lehrer im Unterricht manchmal panisch aufschrien, weil sie im Zuge der Unterrichtsstunde einen verdächtigen Unglücksboten ausgemacht hatten, und auch hingenommen, dass es in Darkmoore keine Hausnummer 13 gab. Mit den Jahren waren sogar zahlreiche neue Bäume innerhalb der Stadt angepflanzt worden, damit auch für fortwährende Generationen immer ein Stückchen Holz erreichbar war, um drei Mal draufzuklopfen, damit man die herannahende Pechsträhne noch rechtzeitig abwenden konnte.

Den vielen Krähen hingegen, die in etwa das Pendant zum Tod höchstpersönlich waren, hatte bislang zwar niemand etwas entgegensetzen können, aber immerhin waren die Bewohner Darkmoore’s auf die glorreiche Idee gekommen, sie mit Knoblauch zu vertreiben – was gleichzeitig auch gegen Vampire half. So ein Glück. Aber auch wenn vor jedem Garten und neben jeder Tür ein paar Knoblauchzehen hingen – unsere gefiederten Todesomen flogen weiterhin durch Darkmoore und verbreiteten Angst und Schrecken. Also hatten Mo und ich eines lauen Sommerabends beschlossen, hinter Tante Wyns Haus ein paar Vogelhäuschen aufzustellen. Krähen waren eben auch nur Vögel. Wie sollten die bitte den Tod ankündigen? Mit einer gefährlich gebogenen Kralle, die im falschen Winkel vom Fuß abstand? Also, bitte … Das waren ja schließlich keine Brieftauben.

Als ich fünfzehn wurde – und Tante Wyn die Vogelhäuschen hinter ihrem Haus zu Feuerholz verarbeitet hatte – schenkte sie mir eine kleine Kiste voller Talismane, oder anders gesagt Unglücksvermeider erster Ordnung: ein gusseisernes Hufeisen, ein vierblättriges Kleeblatt, einen Marienkäfer und ein pummeliges rosa Glücksschwein mit einem vergoldeten Penny im Maul. Den Schornsteinfeger mit seiner Leiter hatte sie wohl aus Gründen der allgemeinen Befangenheit weggelassen. Sie waren ja schließlich eine der bedenklichsten Gefahrenquellen überhaupt. Die Leute machten einen großen Bogen darum und griffen zu ihrer Sicherheit lieber auf Schemel und Hocker zurück, wenn sie in einigen Metern Höhe etwas befestigen mussten. Doch manchmal kamen sie nicht umhin, den tödlichsten Gegenstand der Welt irgendwo auf der Straße aufzustellen – sorgsam darauf bedacht, auf keinen Fall unter ihm hindurchzugehen. Als würde hier irgendjemand versehentlich drunter durchschlüpfen …

Mo war in Sachen Geburtstagsgeschenken etwas kreativer. Da er gern Comics zeichnete, überreichte er mir an jedem Geburtstag ein neues Werk seiner künstlerischen Interpretation von Darkmoore und allen Absonderlichkeiten, die sich hier zutrugen. In einem seiner Comics ging es mal um den Halloweenzirkus, der schon seit ich denken konnte, sein Zelt im Wald aufgeschlagen hatte, hinter der langen von Bäumen geprägten Allee, die nach Winchester führte.

Er hatte einen ganzen Comic darüber gemalt, wie es im Zirkus seiner Meinung nach vor sich gehen könnte. Immerhin waren wir beide noch nie dort gewesen – und hatten es auch nicht vor.

Nur die besonders Mutigen aus den Jahrgängen über uns trauten sich dort hin, natürlich im Geheimen. Die Erwachsenen aus Darkmoore gingen im Dunkeln ja nicht mehr vor die Tür, aus Angst, einem gefährlichen Todfeind ins Auge zu blicken oder vom Blitz getroffen zu werden. Von den vielen anderen vermeintlichen Todesfallen mal abgesehen. Schließlich könnte ja jemand irgendwo bei Dunkelheit stürzen und vergessen, nochmal über die Stelle drüber zugehen. Nicht, dass Mo und ich zu ängstlich gewesen wären. Wir hatten einfach nur keine Lust, uns mit den Bewohnern Darkmoore’s auseinanderzusetzen und zogen es deshalb lieber vor, bei mir zu Hause gemütliche Abende in Ruhe zu verbringen. Dem täglichen Wahnsinn ausgesetzt zu sein, rief in uns regelmäßig das Bedürfnis nach trauter Zweisamkeit hervor, umgeben von Grusel-DVDs und Popcorn.

Manchmal hockten wir auch auf einer großen Picknickdecke hinter Tante Wyns Haus, um Hausaufgaben zu machen oder über das Leben zu philosophieren. Oft fragten wir uns, wie ein Leben außerhalb von Darkmoore aussehen würde, ein Leben in der Großstadt, mit Diskotheken, die voll mit lebensbejahenden Menschen waren und das Wort Aberglaube genauso milde belächelten wie wir und dann mit Schwung in ein lebensbedrohliches Fettnäpfchen nach dem nächsten traten. Ergo: Menschen, die nicht schreiend zum nächsten Baum flüchteten, nur weil sie einen Spiegel zerdeppert hatten, oder weil ein Bild vom Nagel gefallen war. Das Leben könnte so einfach sein – aber ich hatte ja noch ein paar Jahre Schule vor mir. Und dann brauchte es ja noch genügend Zeit, Tante Wyn irgendwie schonend beizubringen, dass ich Darkmoore eines Tages den Rücken zukehren würde. Dann wäre sie nämlich allein mit der Grabpflege, allein in ihrem großen Herrenhaus, allein mit allem.

In lichten Momenten kam ich manchmal zu der Überzeugung, dass Darkmoore als Wahl für den Ort des Lebensmittelpunkts eigentlich nur halb so schlimm war. Immerhin hatte ich mich an die ängstlich besorgten Blicke auf den Straßen, an Tante Wyns Ermahnungen nachts nicht rauszugehen und an die Warnungen meiner Lehrer gewöhnt, die uns jeden Freitag in der letzten Stunde predigten, auf keinen Fall den Halloweenzirkus zu besuchen. Eigentlich war es doch recht amüsant und wir hatten jeden Tag etwas Neues zu Lachen.

Weniger lustig jedoch war die Tatsache, dass ich aufgrund meiner Unverfänglichkeit durch die Straßen zu laufen, zumeist kritisch beäugt wurde. Für gewöhnlich hatte mir das nie etwas ausgemacht. Mo auch nicht, da er die schwarzen Katzen in Darkmoore lieber streichelte, anstatt panisch aufzuschreien und die Flucht zu ergreifen. Aber je älter wir beide wurden, desto mehr mussten wir uns irgendwann eingestehen, dass die Physik des Unglücks keiner Logik folgte und sinnstiftende Erklärungsversuche schon an den Nasen abprallten, die eine natürliche Antenne für ein drohendes Date mit dem Tod hatten. Man konnte den Bewohnern hier eben nicht mit Sinn und Verstand begegnen. Hexen, Geister, Vampire, Unglücksboten … und dass die Toten an Halloween angeblich das Land der lebenden betraten – wie konnte man nur an so etwas glauben? So etwas gab es schließlich nur in Büchern, maximal noch in Filmen.

Vielleicht waren Mum und Dad früher genau deswegen so selten mit mir hier. Vielleicht war Tante Wyn deswegen damals öfter bei uns in Petworth zu Besuch gewesen. Weil dort die Welt noch in Ordnung war.

Aber hätte ich gewusst, dass ich mal Teil dessen sein würde, wovor sich meine Nachbarn und selbst Tante Wyn immer so gefürchtet hatten, dann hätte ich damals anders geantwortet, als man mich fragte, wo ich lieber leben würde. Ich hätte nicht die Schultern gezuckt und geschwiegen. Ich hätte gelächelt. Und ich hätte gesagt: Im Halloweenzirkus.